PANEL 15
Befreiung ohne Grenzen? Mobilität, Allianzen und Spannungsmomente der Dekolonisierung in Afrika in globalhistorischer Perspektive

Chair: Arno Sonderegger (Wien)

13:30–15:00, Virtueller Konferenzraum 1

Wie lassen sich Befreiungskämpfe und Dekolonisierung in Afrika produktiv an den Schnittstellen von Panafrikanismus, Internationalismen und Nationalismen denken? Anhand der Analyse von grenzüberschreitenden Strategien, Lebensläufen und Ressourcenflüssen wird deutlich, dass die späten 1950er- und 1960er-Jahre eine Reihe soziopolitischer Visionen hervorbrachten und Handlungsweisen eröffneten. Antikoloniale Bewegungen rangen um Legitimität in regionalen und globalen Arenen und nutzten dafür insbesondere Möglichkeiten, die (verbündete wie rivalisierende) Projekte panafrikanischer Politik in Ägypten, Ghana, Tansania oder Algerien eröffneten. Zur Diskussion dieser Fragen vereint dieses Panel Fallstudien zu staatlicher Unterstützung für Befreiungsbewegungen, Verflechtungen mit gewerkschaftlichen Netzwerken und zur Rolle von Drehkreuzen antiimperialistischer Mobilität, deren Konnektivität Kanäle weit über den Kontinent hinaus eröffnete, aber auch regulierte und beschränkte.

Antikoloniale Solidaritäten im Konflikt: Panafrikanismus, Panarabismus und afroasiatische Beziehungen in Kairo, 1956–1963

Eric Burton (Innsbruck)

In den späten 1950er- und 1960er-Jahren verlagerte sich das Gravitationszentrum des Antiimperialismus gen Süden: Städte wie Kairo, Accra und Dar es Salaam wurden zu Drehkreuzen antikolonialer Bewegungen. Dieser Vortrag diskutiert Allianzen und Spannungen zwischen panafrikanischen und interkontinentalen Solidaritäten in Kairo: Konkurrierende Visionen des Panafrikanismus standen auch im Zusammenhang mit Diskussionen über afroasiatische Verbindungen wie die Verbindungen zwischen Panafrikanismus und Panarabismus oder die Rolle Indiens (und der indischen Diaspora in Afrika) in antikolonialen Befreiungskämpfen. Der Beitrag basiert auf Archivmaterial, Memoiren, Sekundärliteratur und veröffentlichten Interviews mit Akteuren, die an Befreiungskämpfen in verschiedenen Rollen beteiligt waren.

Abgemilderter Antikolonialismus und elitäres Karrieresprungbrett: das „African Labor College“ des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG) in Kampala, Uganda, 1958–1968

Immanuel R. Harisch (Wien)

Das „African Labor College“ versinnbildlichte für den IBFG „den Höhepunkt der Vision und der Bemühungen freier und demokratischer Gewerkschaften in der ganzen Welt“. In dem noch kaum beackerten Feld der Gewerkschaftsbildung auf dem afrikanischen Kontinent sollte das College ein Knotenpunkt eines Netzwerks von Trainingsaktivitäten, das sich über ganz Afrika erstreckte, werden. Das Zielpublikum für die viermonatigen Kurse waren erfahrene afrikanische Gewerkschafter und Gewerkschaftsführer aus dem englischsprachigen Afrika südlich der Sahara; die Selektionskriterien, die das College anlegte, machten die Gewerkschaftshochschule de facto zu einer Elitekaderschmiede innerhalb des Gewerkschaftssektors und viele spätere Gewerkschaftsführer in Ostafrika wie auch im englischsprachigen Westafrika waren Kampala-Absolventen. Doch das „African Labor College“ stand von Beginn an auf tönernen Füßen: Errichtet im britischen Protektorat Uganda, drohte der britische Trade Union Congress (TUC) mehrmals damit, die Schule zu schließen und sorgte für einen abgemilderten Antikolonialismus. Anhand von Archivmaterial rekonstruiert mein Beitrag diese Spannungsmomente und zeichnet die Bildungs- und Karrieremobilität ausgewählter Gewerkschaftsakteure nach.

„Die Avantgarde des afrikanischen Radikalismus“ – radikaler Panafrikanismus zwischen Befreiungsnationalismus und antiimperialistischem Internationalismus, 1958–1963

Lisa Hoppel (Wien)

Nach dem Zweiten Weltkrieg verknüpfte sich die panafrikanische Bewegung der Diaspora zunehmend mit nationalistischen Unabhängigkeitsbewegungen in Afrika und konzentrierte sich bis zum Ende der 1950er-Jahre ganz auf den afrikanischen Kontinent. Als Strategie der politischen Befreiung schuf der Panafrikanismus Solidaritäten und Kooperationen, aber auch erste Spannungen und Divergenzen, nicht zuletzt aufgrund rivalisierender Vorstellungen davon, wie die Unabhängigkeit Afrikas zu erreichen wäre und die afrikanische Einheit auszusehen hätte.

Im Kontext dieser Teilung des afrikanischen politischen Spektrums befasst sich der Vortrag mit radikalen panafrikanischen Visionen zwischen 1958 und 1963 in Ghana und Algerien. Der Vergleich bietet Einblicke in unterschiedliche Strategien, grenzüberschreitende Praxis und politische Konzepte, die über die Etablierung nationaler Unabhängigkeit hinausgingen und damit exemplarisch das komplexe Beziehungsgeflecht von Befreiungsnationalismus und antiimperialistischen Internationalismus verdeutlichen.

 

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