PANEL 2
Transnationale Politische Gewalt: Österreich und der Paramilitarismus in der Zwischenkriegszeit
Chair (inkl. Kurzkommentar): Adrian Hänni (Zürich)
09:00–10:30, Virtueller Konferenzraum 2
Dieses Panel widmet sich den Verflechtungen von Österreich und Österreichern in transnationalen paramilitärischen Netzwerken in der Zwischenkriegszeit. Die zentralen Diskussionsthemen sind die Beteiligung von österreichischen Bürgern in ausländischen Paramilitärs sowie die Beziehungen von österreichischen paramilitärischen Formationen zu Paramilitärs und staatlichen Akteuren im Ausland. Im Zentrum steht die Analysekategorie Transnationalität: Was sind die Ursachen und Treiber der beschriebenen Transnationalisierungsprozesse? Inwiefern beeinflusste transnationale Zirkulation politische Akteure und Gewaltpraktiken in Österreich? Neben neuesten Forschungsergebnissen werden die Referenten auch innovative theoretische Ansätze und Methoden einer transnationalen Historiographie von politischer Gewalt diskutieren. Die Vorträge basieren auf Beiträgen zum Ende 2019 bei Campus erscheinenden Sammelband „Über Grenzen hinweg. Transnationale Politische Gewalt im 20. Jahrhundert“.
Von Flüchtlingen und Freiwilligen: Deutschösterreicher in den Freikorps der Weimarer Republik
Daniel Ranftl (Wien)
Bisherige Untersuchungen jener Bürger der Republik Deutschösterreich, die nach dem Ersten Weltkrieg in die berüchtigten deutschen Freikorps eintraten, fokussierten sich vor allem auf deutschnationale Studenten der Universität Innsbruck. Dieser Vortrag wird auf der Basis von Akten deutschösterreichischer Ministerien und bayerischer Militärbehörden argumentieren, dass die Freikorpsbewegung aus Deutschösterreich insgesamt weit größer und heterogener war als der bisherige Kenntnisstand es vermuten ließ. Im Vortrag wird die unterschiedliche soziale Herkunft der Freiwilligen am Beispiel eines mehrheitlich von Deutschösterreichern gebildeten bayerischen Freiwilligenverband dargestellt. Auch der große Einfluss, den der deutschösterreichisch-tschechoslowakische Konflikt um die mehrheitlich deutschsprachigen Regionen auf viele der ausländischen Freikorpsangehörigen hatte, wird diskutiert.
„Ein Brückenkopf des Deutschtums in Südost?“ Die Schwarze Reichswehr in Österreich (1919–1922)
Florian Wenninger (Wien)
Der Vortrag analysiert, wie sich das nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland entstandene, rechtsextreme paramilitärische Milieu erstmals der Republik Österreich zuwandte. Im Zentrum stand dabei die Organisation Kanzler (ORKA), ein Ausläufer der bayerischen Organisation Escherich, die sich 1920/21 zur zeitweiligen Dachorganisation der deutschen paramilitärischen Szene emporgeschwungen hatte. In Österreich begann die ORKA, rechtsradikale Verbände aufzubauen. Mit diesen sogenannten Heimwehren sollte nicht nur die österreichische Sozialdemokratie bekämpft, sondern auch die Machtverhältnisse in Zentraleuropa nachhaltig verschoben werden. Auch wenn sich viele ihre ambitionierten Pläne wie der Anschluss Westösterreichs an Bayern oder die Gründung einer Donauföderation letztlich nicht verwirklichen ließen, stellen die Aktivitäten der ORKA wohl das umfangreichste Beispiel latenter transnationaler Gewalt im Nachkriegseuropa dar.
Ein Instrument ungarischer Außenpolitik? Die österreichischen Heimwehren als Akteure in transnationalen rechtsradikalen Netzwerken in den späten 1920er-Jahren
Ibolya Murber (Budapest)
Dieser Vortrag setzt sich mit den transnationalen Verflechtungen der Heimwehren, einer rechtsextremen paramilitärischen Bewegung im Zwischenkriegsösterreich, auseinander. Während im Referat von Florian Wenninger die Beziehungen zu deutschen Paramilitärs diskutiert werden, steht in diesem Vortrag die Unterstützung der Heimwehren durch staatliche Akteure in Österreich, Ungarn und Italien im Fokus. Dabei wird gezeigt, wie diese rechtsextremen Gewaltnetzwerke in den späten 1920er-Jahren den außenpolitischen Spielraum der genannten Staaten erweiterten. Für die militärische und finanzielle Unterstützung der Heimwehren erwartete man in Rom und Budapest allerdings Gegenleistungen wie etwa einen Staatsstreich in Österreich. Gleichzeitig nutzte die christlichsoziale Regierung in Österreich die Heimwehren ebenfalls für ihre politischen Ziele. Diese Toleranz einer Gewaltkultur durch die politische Elite, so die These, waren ein Wegbereiter für autoritäre Tendenzen in Österreich.