PANEL 3
Österreichisch-tschechische Nachbarschaft revisited
Chair (inkl. Kurzkommentar): Claus Oberhauser (Innsbruck)
11:00–12:30, Virtueller Konferenzraum 1
Im Panel werden die Folgen des Falls des Eisernen Vorhanges auf die österreichisch-tschechische (bzw. tschechoslowakische) Nachbarschaft beleuchtet. Während die Auswirkungen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene bereits genauer untersucht sind, beleuchten die Vorträge Forschungsdesiderate im Bereich der grenzüberschreitenden Kontakte in den Grenzregionen und in den Auslandskulturkontakten, wobei insbesondere die Frage nach Kontinuitäten und Brüchen in den Blick genommen wird. Im Kommentar wird schließlich das Ziel verfolgt, diese Befunde den an österreichischen Schulen u. a. durch die Schulbücher konstruierten Geschichtsnarrativen im Zusammenhang mit der vielbeschrieben „Wende“ 1989 gegenüberzustellen.
Österreichisch-tschechische Kulturkontakte im Umbruch
Andrea Brait (Innsbruck)
Österreich hat im Ausland traditionell den Status einer Kulturnation inne. Dieser wird seit Beginn der Zweiten Republik genutzt, um ein positives Bild des Staates zu konstruieren und Gesprächsräume zu schaffen. Im Vortrag werden die Kulturbeziehungen zur Tschechoslowakei in den Blick genommen, die im Vergleich zu denen zu anderen Warschauer Pakt-Staaten deutlicher durch politische Spannungen belastet waren. 1989 brachte auch eine Wende in den Kulturkontakten, indem diese zunehmend von anderen Politikbereichen unabhängig und gleichfalls stärker von internationalen Einflüssen geprägt wurden. Auf Basis dieser strukturellen Bedingungen (polity) wird auf die Ebene der politics fokussiert, also auf die Interessen der in diesem Bereich tätigen Akteure, ihr Auftreten sowie ihre Mittel zur Durchsetzung von Anliegen. Im Fokus stehen dabei das österreichische Außenministerium und die Diplomaten, die versuchten, die „Gunst der Stunde“ für eine deutliche Intensivierung der Kulturkontakte zu nützen.
Mikro- und Makroblicke auf das (nieder-)österreichisch-tschech(-oslowak)ische Grenzgebiet
Niklas Markus Perzi (St. Pölten)
In der österreichischen Erinnerungspolitik und Gedenkkultur wird das Jahr 1989 weniger mit den demokratischen Umbrüchen in Ost- und Ostmitteleuropa, sondern vielmehr mit dem „Fall“ des „Eisernen Vorhangs“ in Zusammenhang gebracht. Dabei wird eine Art von Dichotomie zwischen völlig „geschlossener“ vor und völlig „offener“ Grenze nach 1989 konstruiert, die so nicht den Realitäten entspricht. Im Fokus des Vortrags steht die Frage der Wahrnehmung von „alter“ und „neuer“ Nachbarschaft, die durch verschiedene direkte Kontakte, die mediale Vermittlung, aber auch von noch im 19. Jahrhundert entstandenen Bildern vom „anderen“ geprägt wurde. Dabei werden die Kontinuitäten und Brüche vor und nach dem Wendenjahr sowie die Veränderungen der images des „anderen“ durch die verstärkten Möglichkeiten der Konfrontation mit deren Lebenswirklichkeiten nach 1989 verfolgt. Der Beitrag basiert auf den Ergebnissen von Mikro- und Makrostudien im (nieder-)österreichisch-tschech(-oslowak)ischen Grenzgebiet.
Das Jahr 1989 an der Grenze zwischen Südmähren und Niederösterreich – unerwartete Wende oder nur Kapitel einer längeren Entwicklung?
Kateřina Vnoučková (Prag)
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die davor miteinander eng verbundenen Nachbarregionen Südmähren (Tschechoslowakei) und Weinviertel (Österreich) durch den Eisernen Vorhang getrennt und haben sich gewissermaßen unabhängig voneinander entwickelt. Das tschechoslowakische Regime war jedoch nicht erfolgreich im Bemühen, eine hermetisch abgeschlossene Grenze zu schaffen. Es gab weiterhin Kontakte zwischen den Regionen, mit einer steigenden Tendenz in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre. Im Fokus des Beitrags steht die Frage nach der Rolle des Jahres 1989 in der Grenzregion und nach den Kontinuitäten und Brüchen zwischen den 1980er- und 1990er-Jahren. Weiters wird gefragt, inwieweit die grenzüberschreitende Zusammenarbeit nach 1989 von den grenzüberschreitenden Kontakten davor profitieren konnte.