PANEL 7
Online (Public) History: Geschichtsaneignungen in der digitalen Öffentlichkeit

Chair: Andrea Brait (Innsbruck)

15:30–17:00, Virtueller Konferenzraum 1

Geschichte im Internet hat Konjunktur. Nicht nur offizielle Erinnerungsinstitutionen, Forschungseinrichtungen und Museen bedienen sich dabei immer umfangreicher werdender digitaler Sammlungen. Auch von Privatpersonen, einer interessierten Öffentlichkeit und im didaktischen Umfeld werden Online-Medien und zunehmend Soziale Medien genutzt, um Geschichte(n) zu erzählen, historische Botschaften zu verlinken und gemeinsam Erinnerung zu gestalten. Digitale multimediale Archive – seien es kuratierte Sammlungen wie das vorgestellte VASE, Geschichtskanäle auf YouTube oder durch Hashtags verlinkte Instagram-Stories – werden damit zu Instrumenten einer digitalen Public History und einer digitalen Geschichtsdidaktik, die sich damit speziellen Herausforderungen stellen müssen.

Digital Visual History zwischen Fachwissenschaft und Geschichtsdidaktik

Barbara Derler (Graz)

Digitale Archive und Editionen können als kulturelle Praxis verstanden werden, die das Geschichtsbewusstsein und das kollektive Gedächtnis verändern und formen. Das macht diese an ein Fachpublikum und die interessierte Öffentlichkeit gerichteten Medien auch für die Geschichtsdidaktik interessant. Aber wie können im Speziellen visuelle Archive dazu beitragen, ein reflexives Geschichtsbewusstsein zu entwickeln? Ausgehend von den Erfahrungen des sich im steten Aufbau befindlichen Visuellen Archivs Südöstliches Europa (VASE) soll in dem Paper danach gefragt werden, welchen Mehrwert visuelle Archive für die Geschichtsvermittlung haben. Dem vorangestellt müssen methodologische Schwierigkeiten erörtert werden, die sich bei der Präsentation von Fotografien als Quelle und/oder als Deutung der Vergangenheit ergeben. Die Ausführungen verstehen sich als Beitrag, verstärkt in den Dialog zwischen Fachwissenschaft und Geschichtsdidaktik zu treten.

„Influencers of Memory“. YouTube als Medium der Geschichts- und Erinnerungskultur

Benedikt Kapferer (Innsbruck)

Das Medium YouTube, das mit seinem 15. Geburtstag im Februar 2020 ein besonderes „Jubiläum“ vorweist, entwickelte sich als – vor allem in der Jugendkultur – beliebter Ort des Lernens, der Reflexion und des Diskurses zu einem zentralen Raum der Public History.

Das Phänomen der „Influencer“ bietet dabei ein Konzept, um die erinnerungskulturelle Macht und den Einfluss von Personen sowie das Spannungsfeld von Geschichtswissenschaft, Geschichtsdidaktik, Journalismus und Öffentlichkeit zu erfassen. Anhand von Beispielen wie dem Film „Er ist wieder da“ (2015) oder Kanälen wie „MrWissen2Go“ zeigt sich, wie auf YouTube zeithistorische Themen erinnert und verhandelt werden. Dabei gilt es, die Dynamiken im Agenda-Setting zwischen Aktualität, Viralität und Partizipation zu beleuchten. Gerade für die Zeitgeschichte ist es notwendig, im Rahmen der Digital Public History die kulturelle Bedeutung von YouTube und von „Influencern der Erinnerung“ in der gegenwärtigen Mediendemokratie zu untersuchen.

„Hashtag-Memory“: verlinkte Geschichtsdarstellungen und Inszenierungen des Holocaust

Eva Pfanzelter (Innsbruck)

Die Merkmale gegenwärtiger Technikpraxis – zeitliche Unabhängigkeit, Schnelligkeit, örtliche Ungebundenheit, kontinuierliche Neuerfindung, wenig autoritative Kontrolle, Vormarsch der Produktion von „Sensationsgeschichten“ etc. – verbunden mit massenhaften Daten, aggregiert aus multimedialen Amateur- und Profiquellen, führen zu neuen Erinnerungs- und Erzählpraxen: Es entstehen multimediale Zugangsweisen und multimodale Hypernarrative von verschiedenen Akteur_innen, die Inhalte unabhängig von Medienformaten, Zeit und Ort aggregieren. Die Auswahl ist dabei subjektiv (oder institutionell) und reflektiert persönliche (bzw. institutionelle) Vorlieben oder Mitgefühl. Diese Formen des Online-Storytelling in Form von hybriden Erzählungen tragen zur weiteren Ikonisierung des bereits bestehenden Kanons über den Holocaust bei. Gleichzeitig wird digitales Storytelling zu einer Mischung aus einem privaten und öffentlichen Akt der Erinnerung, der Solidarität oder der Empathie und dient außerdem dazu, Gesinnungs-Gemeinschaften zu bilden, in denen es weniger um zusammenhängende Geschichten, sondern vielmehr um gemeinsames Erinnern geht.


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