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Formationsprozesse
Für die Interpretation des archäologischen Befundes sind natürliche und anthropogene Formationsprozesse entscheidend. Diese werden mittels feinstratigraphischer Grabungsmethoden untersucht.
Grabungen im Stadtzentrum
Eine detaillierte Untersuchung der Formationsprozesse fand in den neueren Grabungen am Macellum und Forum statt.
Die Ergebnisse, insbesondere in Bezug auf die natürlichen Prozesse, sind auf die gesamte Stadt anwendbar. So zeigte sich beim Abtragen der nachantiken Überschwemmungsschichten, die eine maximale Stärke von drei Metern über den antiken Ruinen erreichen, dass diese Überschüttung Aguntums durch verschiedene Hochwasserereignisse herbeigeführt wurde. Anders als früher vermutet, sind nicht gravitative Massenbewegungen („Muren“) alleinverantwortlich für die Überschüttung der Stadt. Im Schichtaufbau beim Stadtzentrum hat sich gezeigt, dass zum Einen unterschiedliche Bachläufe vorhanden sind, die zum Teil sämtliche antiken Schichten durchschneiden und zum Anderen aufeinanderfolgende massive Sand- und Schotterschichten von mehreren Überschwemmungsereignissen zeugen. Die natürliche Formation des Geländes zeigt also eine nachantike „Auenlandschaft“ an, die durch unterschiedlich tief einschneidende, ständig wechselnde Bachläufe und periodische Überschwemmungen gekennzeichnet ist. Letztere sind teilweise auch so heftig, dass regelrechte Murenabgänge zu schweren Zerstörungen am antiken Befund geführt haben. Dies betrifft beim derzeitigen Stand der Forschung vor allem den weiter östlich gelegenen Teil der Stadt im Bereich der Stadtmauer nördlich des Decumanus Maximus und die Vorstadt.
Neben diesen natürlichen Formationsprozessen wurden anthropogene Deponierungsprozesse am Forum analysiert. Schon bei der Errichtung des Gebäudes war eine umfangreiche Geländevorbereitung nötig, die zu einer Terrassierung des Baugrundes führte. Die Nutzung des Gebäudes in seiner Hauptphase ist über die Fundmaterialien in den Räumen selbst nur schwer zu greifen, da diese zum Zeitpunkt des Brandes im Gebäude (Mitte 3. Jh. n. Chr.) zum größten Teil leer standen. Allerdings ermöglicht der Forumsplatz über die hier verstreut liegenden und in den schottrig-humosen Untergrund eingetretenen Verlustfunde gewisse Rückschlüsse auf die Nutzung des zentralen Platzes. Dieser kann – auch weil der Platz die größte Fläche des Gebäudes einnimmt – als nutzungsgeschichtliches Zentrum des Baus angesprochen werden. Über eine detaillierte Dokumentation der genauen Fundlage aller Klein- und Kleinstfunde ist eine Rekonstruktion der Nutzung des bislang erforschten östlichen Viertels des Platzes möglich. Im ersten und zweiten Jahrhundert sammelten sich neben Keramik- vor allem Bergkristallfragmente am Platz an. Diese deuten auf die Wichtigkeit des Bergkristallhandels in dieser Phase hin. Während des dritten und vor allem im vierten Jahrhundert zeigt sich hingegen eine Häufung von Bronze- und Kupfer-und in manchen Bereichen von verschlackten Glasfragmenten. Diese stehen in Zusammenhang mit Buntmetall- und Glasverarbeitung, die in den in der Spätantike an der Stelle des Forums eingerichteten Werkstätten ausgeübt wurde.
Verbunden mit der Aufgabe eines Großteils der Räumlichkeiten im Forumsbereich ist auch eine Planierung der Versturzlagen über den ehemaligen Raumstrukturen. Auf den künstlich abgeflachten Hügeln dürften wohl auch einfache (hölzerne?) Behausungen angelegt worden sein, allerdings haben sich davon keine deutlichen Spuren erhalten.
M. Auer / F. Bleibinhaus / M. Tschurtschenthaler / M. Unterwurzacher, Municipium Claudium Aguntum. Geophysikalische Prospektion auf geologisch schwierigem Terrain, Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Instituts 82, 2013 (2014), 7-21.
Archäozoologische Untersuchungen zu Verlustfunden aus dem Atriumhaus von Aguntum
Im Zuge der Auswertung der Befunde im Atriumhaus von Aguntum (FWF P20846-G02) konnte beobachtet werden, dass im Gartenbereich des Gebäudes sehr stark fragmentierte, aber im sonstigen Fundmaterial aus dem Gebäude nicht vorkommende Fundgattungen geborgen werden konnten. Diese als Verlustfunde interpretierten Gegenstände erlauben demnach einen diachronen Einblick in die materielle Kultur der Bewohner des Atriumhauses, während die Funderhaltung im Haus selbst sehr stark von Umbaumaßnahmen und Auffüllschichten abhängig sind. So finden sich etwa im Atriumhaus kaum Materialien aus dem 3. Jh. n. Chr., was damit zu erklären sein dürfte, dass in dieser Zeit keine wesentlichen baulichen Veränderungen vorgenommen wurden und sich somit kein Abfall ansammeln konnte. Aufgrund dieser Prämisse wurde auch das Tierknochenmaterial aus dem Nutzgarten durch Dr. Sabine Deschler-Erb (IPNA Basel) auf Besonderheiten in seiner Zusammensetzung untersucht. Generell zeigte sich eine weitgehende Übereinstimmung mit dem in anderen Abfallschichten geborgenen tierischen Überresten. Auffallend war das Vorhandensein von Steinböcken, Bären und Feldhasen, die im sonstigen Fundmaterial aus dem Atriumhaus eher selten sind. Es zeigte sich jedoch auch, dass kaum größere Knochenverbände im Garten entsorgt wurden, dieser also weitgehend rein gehalten wurde. Wie auch das sonstige Fundmaterial aus dem Gartenbereich waren die Tierknochen stark fragmentiert. Ein besonders interessantes Detail ist die Feststellung eines fötalen Rindes, was auf Rinderhaltung im Gartenbereich hinweist.
S. Deschler-Erb / M. Auer, In cibo veritas – Zur wechselhaften Geschichte des Atriumhauses von Aguntum/Tirol (1.-4. Jh. n. Chr.) im Spiegel der Speisesitten, Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien, Serie A, Band 120, 2018, 321-333.