Khovle Gora, Georgien

directed by V. Licheli (Tbilisi State University), Sandra Heinsch (Universität Innsbruck), Walter Kuntner (Univrsität Innsbruck)

 

Zur Erforschung des nördlichen geographischen Raumes im Rahmen des "The Spread of Urartu"

Khovle Gora (Abb. 1) liegt etwa 50km nordwestlich der georgischen Hauptstadt Tiflis im Distrikt Kaspi, Shida Kartli am nördlichen Ausläufer des Trialeti Gebirges ins Kura-Tal auf einer Höhe von etwa 700 m ü.d.M. (Abb. 2). Der Fundort ist durch vier charakteristische Geländeerhebungen gekennzeichnet, den sog. Haupthügel und die drei nordöstlich liegenden sog. Siedlungshügel I-III, die von zwei tiefen Erosionsrinnen eingerahmt eine Fläche von etwa 16ha umfassen. Das Einzugsgebiet der Siedlung am Khovle Gora dürfte jedoch weitaus großflächiger gewesen sein, da sich nicht nur in den umliegenden Feldern, sondern auch auf den weit ausgedehnten fluvialen Terrassen des kleinen Flusslaufes Khevkhmela im Osten und im Süden des Haupthügels eine signifikante Streufunddichte an der Oberfläche abzeichnet, die größtenteils aus gestörten spätbronzezeitlichen und früheisenzeitlichen Grabinventare stammend nichtdestotrotz einen deutlichen Bezug zur Siedlung Khovle Gora erkennen lassen.

Khovle Gora

Abb. 1. Khovle Gora

Zur Erfassung des Fundplatzes wurde das Siedlungsgebiet im Jahre 2013 geomagnetisch prospektiert. Die Ergebnisse haben überraschenderweise ein sehr konzentriertes Besiedlungsbild gegeben. Demnach scheint sich die Siedlungsaktivität überwiegend auf die Gebiete rund um den Haupthügel beschränkt zu haben. Dazu gehören die Terrasse im Süden sowie die ausgedehnte Hangebene, die sich nach Norden erstreckt und das Gelände am und rund um den Siedlungshügel III umfasst. Das Gelände zeigt allerdings noch deutlich die Spuren der vor allem in den 1960er Jahren erfolgten Melioration, die den Boden massiv und tiefgreifend verändert haben. Andererseits zeigt die erosionsbedingte Zertalung der Oberfläche mit zum Teil starken Runzenausbildungen, dass das Aussehen des heutigen Geländereliefs auch durch fluviale Sedimentationsprozesse geprägt worden ist. Diese gilt es zwar im Einzelnen noch zu klären, doch weisen etwa palynologische Auswertungen von Bodenproben aus Bestattungen in Khovle Gora darauf hin, dass zumindest periodisch im Vergleich zu heute von einem deutlich stärkeren Oberflächenabfluss auszugehen ist, der möglicherweise ab dem 3. Jh. v. Chr. das Ende der Siedlung von Khovle Gora eingeleitet haben könnte.

khovle vogelperspektive

 Abb. 2 Khovle Gora in der Vogelperspektive (Quelle: google maps)

 

Khovle Gora wurde erstmals von Tskitishvili unter der Projektleitung von Berdsenishvili von 1954 bis 1961 ausgegraben. Die Ausgrabung ergab die Abfolge von insgesamt acht Siedlungsniveaus, sog. levels, die in das 15. bis 4 Jh. v. Chr. datiert werden. Die Siedlungsabfolge kann anhand des Aufkommens einer rötlich gebrannten Keramikware ab level IV, die sich auch typologisch vom Formenrepertoire der für die Spätbronze-Früheisenzeit charakteristischen `schwarz-grau gebrannte Ware´ unterscheidet, diese jedoch nicht ersetzen wird, in zwei Perioden gegliedert werden, die nachfolgend als Periode Khovle II und I bezeichnet werden. Die jüngere, durch die sog. „rote Ware“ gekennzeichnete Periode Khovle I ist von Muskhelishvili aufgrund historischer Schlussfolgerungen und unter Vorlage von zwei unterschiedlichen, rot gebrannten Keramikwaren in das 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr. datiert worden. Für die „rote Ware“ aus level III, wo sie gemeinsam mit dreiflügeligen, bronzenen sog. „skythischen“ Tüllenpfeilspitzen gefunden wurde, ist dabei ein Zusammenhang zum Königreich Urartu angestellt worden, während für die „rote Ware“ aus level II achämenidischer Einfluss vermutet worden ist.

Die ältere Periode Khovle II ist von Muskhelishvili hingegen vorerst nur versuchsweise durch Vergleiche mit Grabbeigaben aus den Nekropolen von Samtavro und Beshtasheni allgemein dem spätbronze-früheisenzeiltichen Kulturkreis im östlichen Transkaukasien bzw. der sog. Samtavro Kultur zugeordnet worden, für die Abramishvili jedoch aufgrund der damit vergesellschafteten Bronze- und Eisenfunde eine Zeitspanne vom 15. bis 7. Jh. v. Chr. vorgeschlagen hat. Die Anwendbarkeit eines solch frühen Zeitansatzes für die Datierung des ältesten Keramikmaterials von Khovle Gora aus level VIII ist zwar bereits von Muskhelishvili aufgrund der Forschungsergebnisse von Pitskhelauri in Kachetien sowie der Siedlungsabfolge auf dem Haupthügel von Khovle Gora angezweifelt, doch seither nicht mehr überprüft worden. Nach Pitskhelauris Chronologie wäre level VIII frühestens ins 12. Jh. v. Chr. zu datieren. Die chronologische Klärung der Siedlungsabfolge von Khovle Gora nimmt, da sie gleichermaßen Bezüge zur Samtavro-Kultur Abramishvilis, als auch zu der von Pitskhelauri definierten zentralen transkaukasischen Kultur aufweist, eine Schlüsselstelle innerhalb der sog. Abramishvili-Pitskhelauri Datierungskontroverse der Spätbronzezeit Ostgeorgiens ein.

Der methodische Ausgangspunkt der Wiedererforschung der Stratigraphie von Khovle Gora richtete sich demnach zuerst auf die Frage, was unter einem „level“ zu verstehen sei und ob diese stratigraphische Kategorie auch konsequent angewandt wurde, mit dem Ziel, die Siedlungsabfolge des Haupthügels von Khovle Gora nachvollziehen und anhand von Radiocarbon-Datierungen auch absolutchronologisch fixieren zu können. Von großer Hilfe bei der Identifizierung der einzelnen levels waren folgende drei Anhaltspunkte: der erste und eindeutigste Referenzpunkt ist der Steinplattenbelag des Hanges, der im Jahr 2011 in situ aufgedeckt wurde und auf dem eine weitere sog. „skythische“ Pfeilspitzen gefunden wurde. Der Steinplattenbelag kennzeichnet im Ostprofil des alten Hauptschnittes, der die gesamte stratigraphische Abfolge des Haupthügels erfasst, das interface von level III. Der zweite und dritte Anhaltpunkt betreffen stärkere Ascheschichten ober- und unterhalb dieses Steinplattenbelags, durch welche jeweils die Zerstörungen der Siedlung in levels VI und II definiert worden sind.

Der Haupthügel ist im Zuge der Altgrabungen sehr gründlich untersucht worden, so dass nur noch in sehr wenigen Bereichen ungestörte Ablagerungen greifbar waren. Glücklicherweise konnte auf der Kuppe zumindest noch ein alter, 2 bis 2,50 m breiter Profilsteg untersucht werden. Die stratigraphische Verbindung des Hauptschnittes zwischen Kuppe und Hangbereich war allerdings aufgrund eines längs zur Hangoberkante angelegten Suchschnittes nicht mehr herzustellen. Das Fehlen der roten Ware auf der Kuppe des Siedlungshügels spricht jedenfalls dafür, dass hier nur Schichten der Periode Khovle II erhalten geblieben sind.

Die stratigraphische Situation im Profilsteg zeigt eine Abfolge von Schichten, die auf eine viel komplexere Befundsituation hindeutet und die insgesamt fünf Bauphasen A-E unterscheiden lässt. Der älteste Begehungshorizont der Bauphase E ist durch Reste eines Hangtöpferofens charakterisiert, aus dem vier Proben entnommen wurden: zwei aus den verkohlten Rückständen der Brennkammer, eine aus der Holzkonstruktion, die zur Stabilisierung der Muffel diente, die einst die Brennkammer umschloss, und die letzte Probe aus einer stark kohlehaltigen Ablagerung zwischen Töpferofen und der darüber folgenden Bauschicht D, die durch den Bau eines Ofens vom sog. Khovle-Typ definiert ist. Der Sigma-2-Wert dieser Proben datiert den Hangtöpferofen in das 12. bis 9. Jh. v. Chr. Weitere Proben wurden aus dem Khovle-Ofen der Bauphase D sowie aus der Kulturschicht der Bauphase C entnommen, die mit der Steinmauer korreliert, die den Khovle-Ofen der Bauschicht D stört. Die Ergebnisse der 14C-Datierungen lassen die Bauphasen D und C in das 9. und 8. Jahrhundert v. Chr. datieren, sodass wir für die Datierung der Bauphase E ebenfalls ein jüngeres Datum, etwa ab dem 10. Jh. v. Chr. bevorzugen.

Zu dieser frühesten Besiedlung des Haupthügels, die einer vermutlich mit level VI zu korrelierende Brandzerstörung zum Opfer fällt, gehören die Reste der Steinbehausungen mit den sog. Khovle-Öfen, die mit dem Ausbau der Terrassen rund um den Haupthügel in Verbindung zu bringen sind und am Fuße des Haupthügels von einer 2m starken Befestigungsmauer umgeben sind. Die Vergleiche mit den Baubefunden in Grakliani bestätigen die Datierung dieser frühesten Besiedlungsphase auf der Kuppe des Khovle Gora ins 8. Jh. v. Chr. Inwieweit die Kuppensiedlung allerdings bereits in der Periode Khovle II befestigt war, ist schwer zu entscheiden. Der Baubefund der Befestigungsmauer umfasst zwar insgesamt zwei Bauphasen, doch können diese nur grob zwischen 770 und 480 v. Chr, datiert werden. Der jüngere Bauhorizont muss allerdings aufgrund der damit vergesellschafteten Keramik der Achämenidenzeit zugeordnet werden. Die sehr einheitliche Bautechnik der Befestigungsmauer scheint gegen eine größere Zeitspanne zwischen ihrer Gründung und ihrem Wiederaufbau zu sprechen. Denkbar ist allerdings eine Korrelation mit der jüngeren Besiedlung der Periode Khovle II, die durch die levels V und IV definiert wurde. Doch gestaltet sich die Identifikation dieser Siedlungsniveaus aus heutiger Sicht noch als schwierig. Dies ist umso bedauerlicher, als die damit zusammenhängende Frage nach einem möglichen Einfluss Biainilis bzw. Urartus in Ostgeorgien unbeantwortet bleiben muss.

Die Kombination zwischen dem Grabungsbefund und der Auswertungen der 14C Proben erlaubt folgende Schlussfolgerungen. Die Siedlungstätigkeit auf dem Haupthügel von Khovle Gora setzt entgegen der bisherigen Rekonstruktion frühestens ab dem 12./10. Jh. v. Chr. ein. Die Hauptbesiedlungszeit liegt allerdings zwischen dem 9. und dem 4/3. Jh. v. Chr. Diese neu beurteilte Stratigraphie fügt sich bestens in die von Pitskilauri vorgeschlagene Periodisierung ein.

Fund

Fund aus den Altgrabungen Khovle Gora

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