Frau Prof. Kraml, Herr Prof. Sejdini, die Zusammenarbeit zwischen katholischer und muslimischer Religionspolitik ist in den letzten Jahren zum fixen Bestandteil des Religionspädagogik-Studiums geworden, mehr noch, sie ist eigentlich schon fast nicht mehr wegzudenken. Aber wann hat diese Zusammenarbeit eigentlich begonnen?
Martina Kraml: Die erste Initiative, eine Professur für Katholische Dogmatik mit Schwerpunkt Dialog mit dem Islam an der Fakultät einzurichten, kam vom damaligen Dekan Raymund Schwager, dem die Fakultät seinerzeit aber nicht folgte. Das RGKW (Forschungszentrum „Religion-Gewalt-Kommunikation-Weltordnung“) hat die Intention weitergeführt, Tagungen veranstaltet und als Leitlinie für die folgenden Jahre die Zusammenarbeit mit dem Islam definiert. Eine wichtige Initiative war der Kongress „Heilig-Tabu“, den die Kommunikative Theologie 2008 in Telfs veranstaltete. Das Motto war, nicht mehr nur über Muslime zu reden, sondern das Gespräch mit den Muslimen zu suchen und Orte gemeinsamen Lebens zu eröffnen.
Eine zentrale Gestalt in diesem Prozess war mein Vorgänger Matthias Scharer, der sich sehr dafür eingesetzt hat, dass auch in Westösterreich eine Ausbildung für muslimische Religionslehrer eingerichtet wird. Das war zunächst ein Masterstudium auf der Basis der Mitbelegung, angesiedelt an der Universität Wien. Auf Grund des Bedarfs entstand wenig später die Idee, ein eigenständiges Bachelorstudium in Innsbruck zu etablieren, die vom Rektorat der Universität Innsbruck sehr unterstützt wurde.
Zekirija Sejdini: Damit begann meine Zeit in Innsbruck. Ich war zwar schon zuvor als Lehrbeauftragter in Innsbruck tätig, wurde aber im Jänner 2014 als Professor für das bereits im Herbst 2013/14 gestartete Bachelorstudium berufen. Für Martina und mich war von Anfang an klar, dass unsere Zusammenarbeit nicht nur von pragmatischen Aspekten, sondern von einem tiefen theologischen Anliegen geprägt sein würde.
Besonders beim gemeinsamen Basispraktikum mussten wir in kürzester Zeit eine Kooperation aufbauen, die eigentlich einen viel längeren Prozess benötigt hätte. Aber der Wille zur Kooperation war immer da, und so haben wir einfach begonnen, auch wenn noch viele Fragen offen waren. Aber wenn wir damals nicht den Mut aufgebracht hätten, wären wir jetzt vielleicht immer noch in der Ideenfindungsphase.
Ich persönlich erlebe die Stimmung an der Fakultät, was die Zusammenarbeit von katholischer und islamischer Religionspädagogik betrifft, als sehr positiv. Wie sind Ihre Eindrücke?
MK: Ich habe den Eindruck, dass viele Mitglieder der Fakultät unsere Kooperation als Potential sehen. Das freut mich natürlich. Entscheidend scheint mir bei unserer Zusammenarbeit das Konzept der Verschränkung von intra- und interreligiöser Perspektive zu sein. Das heißt, dass die Perspektive der eigenen Religion weiterentwickelt wird, während gleichzeitig versucht wird, auf dieser Basis ins Gemeinsame mit anderen zu kommen. Es geht also um die richtige Balance zwischen intrareligiösen und interreligiösen Elementen, und ich denke, dass wir mit dieser Frage in Innsbruck sehr bewusst und auch sensibel umgehen.
ZS: Insgesamt denke ich, dass das Interreligiöse sehr gut aufgenommen worden ist. Dass ab und zu auch Bedenken geäußert werden, ist verständlich, wenn man sich ansieht, wie wir üblicherweise Theologie betreiben. Und natürlich kann interreligiöser Dialog als Gefahr für das Eigene, die eigene Authentizität, wahrgenommen werden. Im muslimischen Kreis müsste diese Angst, dass man vereinnahmt wird, eigentlich größer sein, weil man ja ganz neu ist, mit einer Sprache arbeitet, die christlich geprägt ist, und in eine Institution eingebettet ist, die eine lange Tradition hat. Trotzdem sind die Reaktionen beinahe ausschließlich positiv.
Im aktuellen Kontext ist Theologie für mich letztlich gar nicht anders als interreligiös möglich, d.h. das Intra müsste eigentlich auch immer eine interreligiöse Komponente haben. Selbst wenn ich eine spezifische Frage meiner Religion bearbeite, muss ich die anderen im Blick haben, ich muss die Menschen berücksichtigen, die etwas anderes glauben, und ich muss auch die Menschen berücksichtigen, die gar nichts glauben. Die interreligiöse Perspektive ist für mich in jedem Fall eine Bereicherung, die dabei hilft, die eigene Tradition besser zu verstehen, und nicht etwas, das sie verwässert – das gilt für die Theologie hier, aber auch für die Theologie anderswo auf der Welt, beispielsweise in Saudi-Arabien.
Was mich abschließend noch interessieren würde, wäre, welche Ideen und Anliegen Sie für die Zukunft haben.
MK: Zunächst einmal möchten wir sowohl die gemeinsamen Lehreprojekte als auch die Forschung weiterentwickeln. Wir haben eine ganze Reihe von Projektideen, die darauf warten, verwirklicht zu werden. Um all dies zu bündeln, werden wir ein Zentrum für Interreligiöse Studien gründen, das im Wintersemester 2018/19 eröffnet wird.
Besonders schön wäre es, wenn das, was wir bereits erreicht haben und was unsere Zusammenarbeit im deutschsprachigen Raum weitgehend einzigartig macht, auch als Alleinstellungsmerkmal für Innsbruck wahrgenommen und dementsprechend unterstützt würde. Ich würde mich freuen, wenn wir von den Kolleginnen und Kollegen nicht nur freundlich geduldet, sondern auch Rückenwind bekommen würden. Für mich ist klar, dass der Blick über den Tellerrand der eigenen Religion hinaus eine Zukunftsfrage ist, eine Frage der eigenen Zukunftsfähigkeit und entscheidend für gute Religionspädagogik und Theologie. Aus katholischer Perspektive wünsche ich mir natürlich eine offene Kirche, die ebenfalls zukunftssinnig denkt.
ZS: Ich schließe mich Martina an. Ich hoffe, dass wir die Zusammenarbeit auch auf andere Fachbereiche ausdehnen können. Mit der Besetzung der neuen Professur für islamische Theologie und einiger anderer neuer Stellen werden auch die dafür notwendigen Voraussetzungen geschaffen. Mein weiterer Traum ist ein gemeinsames interreligiöses Masterstudium, was die Einzigartigkeit unserer Kooperation unterstreichen würde. Außerdem will ich mich bei dieser Gelegenheit bei allen Kolleginnen und Kollegen, aber auch Studierenden der Katholisch-Theologischen Fakultät für die Kooperation und den geschwisterlichen Umgang mit uns bedanken. Wir haben uns von Anfang an herzlich willkommen gefühlt und sind dafür sehr dankbar.
Das Gespräch führte Claudia Paganini.