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Im Fokus

Doktoratskolleg/Doctoral Research Group „Catholic Theology in a Globalised World“

Nach dem philosophischen Doktoratskolleg „Philosophy of Religionstartet an unserer Fakultät in den kommenden Monaten ein zweites, theologisch ausgerichtetes Doktoratskolleg. Unter dem Namen „Catholic Theology in a Globalised World“ werden wir Lehrende und Studierende in einer neuen Weise zusammenführen und ihnen die Chance zum fachlichen Austausch und zum gemeinsamen Forschen und Lernen geben.

Für unseren Newsletter haben wir den Gründungssprecher des Doktoratskollegs – unseren Universitätsprofessor für Dogmatik und Fundamentaltheologie Roman Siebenrock – gebeten, das Projekt näher vorzustellen.

Roman Siebenrock (Credit: Christian Wucherer)Das theologische Doktoratskolleg (DK), das im Wintersemester 2021/22 mit seiner Ausbildung und Begleitung von Doktorandinnen und Doktoranden startet, möchte zu einer Theologie ermutigen und befähigen, die im multikulturellen Gespräch innerhalb und außerhalb der Kirche zu einer wirklichen „Welt-Theologie“ zu werden vermag. Damit stellt sich dieses Projekt ausdrücklich in den Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils. Ebenso antwortet die Fakultät damit auch auf die Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten.

Inkarnation des Evangeliums

Der Titel zeigt bereits die epochale Veränderung in Kirche und Theologie an, die Karl Rahner als „dritte kirchengeschichtliche Epoche“ zu begreifen suchte: Die Kirche wird wirklich Weltkirche, das heißt sie verbreitet nicht mehr europäische Traditionen in alle Welt, sondern inkarniert sich und das Evangelium in den Kulturen der einen Menschheit. Wir sind ganz am Anfang dieses herausfordernden Weges: Was geschieht, wenn Menschen nicht-europäischer Traditionen von ihren Wurzeln her das Evangelium zu hören beginnen, mit ihren Herzen zu begreifen suchen? Ist dann überhaupt noch Einheit im Glaubensausdruck möglich? Welche Bedeutung wird in dieser kommenden Weltkirche die europäisch-theologische Tradition haben? Welche hermeneutischen und philosophischen Denkformen müssen wir entwickeln, um diese Fragen angemessen beantworten und den damit verbundenen Entwicklungen gerecht werden zu können? Solche Fragen werden das DK anhaltend beschäftigen.

Das Doktoratskolleg im Kontext unserer Universität

Doktorand*innen-Seminar bei Wolfgang PalaverIn Innsbruck wird die weltkirchliche Dynamik durch die Situation im Collegium Canisianum greifbar. Mit der Entscheidung des Konzils, die primäre theologische Ausbildung in der Ortskirche zu verankern, kam das Ende des traditionellen Priesterseminars. Nun ist das Canisianum eine postgraduale Ausbildungsstätte für Doktoranden aus aller Welt geworden. Analog zur Institution des Canisianums wird unsere Fakultät auch eine Studienmöglichkeit für Frauen in Innsbruck ermöglichen. Das DK möchte Doktorandinnen und Doktoranden aus aller Welt in ein Gespräch einbinden, das zum Laboratorium einer künftigen „Welt-Theologie“ werden könnte. Besondere Inspirationen erhoffen wir uns aus den Vorgaben von Papst Franziskus, die er in folgenden Texten niedergelegt hat:

Das Vorwort zur Apostolischen Konstitution „Veritatis gaudium“ (2017) gibt der Neuregelung der kirchlichen Studien den Auftrag, Experimente zu wagen, Laboratorien der Zukunft zu errichten, die vernetzt mit den anderen Wissenschaften den Lebensrealitäten der Menschen von heute dienen sollen. Seine Weiterführung der konziliaren „Theologie in den Zeichen der Zeit“, die das DK prägen wird, hat er in zwei Enzykliken vorgelegt: „Laudato sì“ (2013) und „Fratelli tutti“ (2020).

Die Universität Innsbruck als Volluniversität scheint uns für diese Ziele beste Voraussetzungen zu ermöglichen. Nachhaltigkeit ist zu einem Zentralthema geworden und die weltweite Solidarität und Anerkennung von kultureller Vielfalt gehören zu den Grundüberzeugungen unserer Universität. Da das DK in den universitären Forschungsschwerpunkt „Kulturelle Begegnungen – Kulturelle Konflikte“ eingebunden sein wird, werden die Doktorandinnen und Doktoranden von der Breite der geisteswissenschaftlichen Kompetenz in diesem Netzwerk profitieren. Sie können an anderen DKs teilnehmen, gemeinsamen Fragen in kleineren Tagungen nachgehen und dadurch ein internationales Netzwerk entwickeln, das über die Theologie hinausgeht. Das DK ermöglicht und ermutigt dazu, verpflichtet jedoch niemanden mit erhobenem Finger. Wir wollen Räume schaffen, die auf je eigene Weise genützt und bewohnt werden sollen.

Vernetzungen auf dem Weg in die Zukunft

Das DK möchte den Kontakt zu früheren Absolventinnen und Absolventen unserer Fakultät stärken und Gruppen unterstützen, die auch später mit den heutigen digitalen Möglichkeiten gemeinsam auf dem Weg bleiben können. Wie Absolventinnen und Absolventen aus aller Welt nach vielen Jahren ihre Ausbildung in Innsbruck einschätzen, wird auch für die Fakultät zu einer wichtigen Lernerfahrung werden.

Das Projekt einer „Welt-Theologie“ ist von anderen bereits angegangen worden. In Lektüregruppen und Gastvorlesungen wird jenen Autorinnen und Autoren nachgegangen werden, die auf diesem Weg bereits Pionierarbeit geleistet haben. Zur offiziellen Eröffnung des DK sind ein Vortrag und Workshop von Franz Gmainer-Pranzl (Professor für Systematische Theologie in Salzburg) geplant, der selbst lange Jahre im Canisianum gelebt hat.

Die unterstützenden und begleitenden Vertiefungen im DK wollen die Verantwortung der Betreuerinnen und Betreuer nicht ersetzen oder gar abschaffen. Vielmehr bewirbt sich eine Person mit der Unterstützung seiner Betreuerin/seines Betreuers und dem entsprechenden Dissertationsprojekt beim DK, in dem dann über die Aufnahme abgestimmt wird.

Last but not least ist mit dem DK die Möglichkeit verbunden, Stipendien der Universität Innsbruck leichter zu erhalten. Diese Stipendien sind nicht an eine bestimmte staatliche Zugehörigkeit geknüpft, sondern verfolgen unabhängig davon das Ziel, Exzellenz zu fördern.

Suchbewegung zwischen Spiritualität und Vernunft

Wenn das DK nun startet, dann wird nichts Fertiges begonnen, sondern eine anhaltende Suchbewegung eröffnet. Deshalb wird das DK zu einer gemeinsamen Lernerfahrung werden müssen. Vielleicht erfahren wir darin an der eigenen Haut die alte Bestimmung der Universität als Lerngemeinschaft von Lehrenden und Studierenden. Wenn wir diese Lerngemeinschaft als die gemeinsame Suche nach Gottes Willen in dieser Zeit zu sehen vermögen, dann können wir vielleicht sogar jenes Schisma zu überwinden suchen, das die europäische Theologie seit dem Mittelalter zerreißt und in diesen spätmodernen Zeiten neu aufbricht: die Trennung von Spiritualität und Vernunft, von Geist und Herz, von Lebenssehnsucht und einer Wissenschaft im Modus der verfügenden Technik. Wir Europäerinnen und Europäer sind nicht in der Lage, die von uns initiierte Moderne wirklich einzuschätzen oder gar zu überwinden. Was andere Kulturen zu dieser europäischen Tradition zu sagen haben, wird gewiss zu den brisantesten Themen auf dem Weg des DK werden.

Roman A. Siebenrock

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